Oschenberg-Sage

Quelle Gondrom Bayreuther Sagen          Archiv Günther Wein

Die Oschenbergsage

Nur eine Stunde nordöstlich von Bayreuth liegt der Oschenberg. Trotzdem wird er nur selten besucht, denn nach Meinung der Landleute hält viele eine geheime Scheu davon zurück: Sie fürchten das Glöcklein vom Oschenberg

Zwischen Weihnachten und Neujahr ging einst ein alter Bauer mit mir  über den Berg.
Plötzlich blieb er stehen und fragte halblaut: “Hören Sie das Glöcklein läuten?” Da ich seine
große Erregung bemerkte, erwiderte ich beruhigend: “Sie täuschen sich, es ist nur ein
seltsames Klingen im Sausen des Windes”. Aber der alte Mann schüttelte abwehrend den
Kopf und sagte: “Gewiss, aber es ist nicht der Wind allein, ich höre gut und weiß auch, was
mir das Glöcklein Schlimmes zu verkünden hat.” Auf meine Bitte erzählte mir der Alte noch
am Abend die Geschichte des Glöckleins; Doch waren es nur Bruchstücke, und ich fragte
deshalb bei den ältesten Leuten so lange, bis ich alles erfahren hatte. Der alte Mann aber
starb im darauffolgenden Jahr.

In grauer Vorzeit war der Oschenberg eine heidnische Kultstätte mit einem Tempel, der
Gottvater Wodan oder Odin geweiht war. In seiner Nähe lag der Heilige Hain, zu dem
unsere Vorfahren in großer Ehrfurcht wallten, um von dem heilkräftigen Wasser des
Weidenbrunnens zu trinken und die Segnungen der Priester zu empfangen. Doch sollte
auch dieser Tempel dem Schicksal alles Irdischen verfallen. Denn nach der Niederwerfung
der heidnischen Sachsen rückte das Heer Karl des Großen auch in den oberen Maingau
ein. Wohl gaben die drei Priester des Oschenberges, Balder, Hermut und Waldfried, ihren
Tempel nicht kampflos preis, verteidigten ihr Heiligtum mit dem Schwert, fielen aber im
Kampf. Bevor jedoch Balder verschied, rief er mit gewaltiger Stimme: “Wenn je unserem
heiligen Berg Christusglocken läuten, so läuten sie euch zum Fluche und zum Leid!”.
Die Priester wurden in der Nähe von St. Johannis begraben, damit die heimlichen
Anhänger des Wodanglauben den Oschenberg nicht mehr besuchen sollten. Aus den
erschlagenen Priestern machte  freilich die Sage  später drei Könige und heute spricht man
noch in St. Johannis von den drei Königsgräbern. Jedenfalls hingen in der ersten Zeit
besonders die alten Leute noch am Glauben der Väter und wanderten in den
Vollmondnächten zum Oschenberg empor. Dies suchten die Christen zu verhindern,

indem sie auf dem Oschenberg eine Holzkapelle errichteten und diese Kapelle St. Jobst weihten.
Das Glöcklein der Kapelle aber wurde von Allersdorfern als Totenglöcklein verwendet,
weshalb man es auch das Sorgenglöcklein nannte.
Am Lichmesstage des Jahres 1430 kamen jedoch die Hussiten und zerstörten die Kapelle.
Nur das Glöcklein leistete dem Feuer Widerstand und blieb daher erhalten. Nach dem Abzug
der Feinde verkaufte ein frommer Mann, dessen Haus und Gut von den Hussiten verschont
geblieben war, sein Anwesen und baute von dem Erlös die Kapelle wieder auf und vertraute
ihr das Glöcklein an. Er selbst lebte fortan als Einsiedler jahrelang auf dem Oschenberg in
einer einfachen Holzhütte.
Doch auch diese Kapelle stand nur verhältnismässig kurze Zeit. An ihrer Stelle wurde von
Markgraf Friedrich IV. in den Jahren 1507 bis 1510 ein Minoritenkloster erbaut, das sich
aber nicht einmal zwei Jahrzehnte hielt. Denn nachdem Markgraf Georg im Jahre 1528 auch
in der Markgrafenschaft Bayreuth die Reformation durchführte, wurde das Kloster St. Jobst
säkularisiert (1529) , Kirchengeräte und Messgewänder wurden verkauft. Als die Mönche von
dannen zogen, läutete das Glöcklein zum Abschied. Einsam hing es in der Folgezeit im
verlassenen Kloster, selten nur bewegte es der Wind. Wenn es aber läutete, nahm nach der
Sage in Allersdorf eine Seele Abschied vom Leben.
An einem Abend des Jahres 1553 ging der Landwirt Johann Horn von Allersdorf über den
Oschenberg. Er hatte sich verspätet, schritt daher zügig aufwärts und setzte sich dann bei
dem Kloster zu kurzer Rast. Dichte Nebel zogen von Bayreuth den Berg empor und huschten
durch das verlassene Kloster.
Da teilte der Wind die Nebelmassen und Johann Horn sieht eine Volksmenge heranziehen.
Langsam und lautlos bewegt er sich nach oben. An allen Gliedern zitternd starrt Johannes auf
dieses Bild. Wie der Zug oben anlangt, stellen sie dicht vor Johannes drei Särge nieder, denen
sogleich drei heidnische Priester entstiegen. Sieben Männer bringen einen Altar mit der
Opferflamme und bald strebt ein feiner Rauch auf und zieht über das Kloster hinweg. Nun
aber verkündet der älteste Priester: “Heil uns, die Götter haben unser Flehen erhört: zerfallen
ist die Kapelle, bald wird auch das Kloster mit dem Kirchlein in Staub zerfallen!”
Da erschreckt er Johannes und spricht zu ihm: “ Und du mußt sterben!” Voll Entsetzen stürzt
Johannes davon, sucht Zuflucht im Kirchlein und ergreift in der Verzweiflung den
Glockenstrang. Gar schaurig klingen die Glockentöne durch die finstere Nacht. Mit Bangen
vernehmen sie die Bewohner von Allersdorf. Doch eilen einige beherzte Männer zum
Kirchlein und finden dort Johannes bewusstlos vor dem Altar.
Als Johannes am anderen Morgen zu sich kam, schaute noch Entsetzen aus seinen Augen.
Eine innere Unruhe trieb ihn aus dem Haus und ruhelos irrte er fortan durch Fluren und
Wälder. Da traf er einst mit einer Abteilung fremden Kriegsvolks zusammen. Es waren
Truppen der Bundesstände, also Feinde des Markgrafen Albrecht, die von Hof kamen und nun
Bayreuth belagern sollten. Sie ergriffen Johannes, damit er sie nach Bayreuth führe. Als aber
Johannes mit den Feinden durch einen Wald kam, riss er sich los, floh zum Oschenberg und
läutete das Glöcklein, um seine Allersdorfer vor den Feinden zu warnen. Doch die Feinde
waren ihn gefolgt und als sie ihn nicht fanden, legten sie Feuer in das Kloster. Bald schlugen
die Flammen hoch empor. Da erschien oben am Dachfenster eine Gestalt: Johannes Horn! Er
rief um Hilfe, aber die Feinde verspotteten ihn: “Leuchte uns nur, damit wir den Weg nicht
verfehlen!” Darüber erfasst namenloser Zorn seine Seele und über die Flammen hinweg
dringen die Worte: “Fluch und abermals Fluch über euch, ihr Mordbrenner! Ich will euch
das Sorgenglöcklein läuten zum Leide und zum Tode!” Mit beiden Händen erfasste er den
Glockenstrang, dann ertönte die Glocke das letzte Mal. Entsetzen ergriff alle Umstehenden,
zumal zu gleicher Zeit die Mauern einstürzten und Johannes begruben.
Seitdem verkündet das Glöcklein auf dem Oschenberg allen nur Leid, die es vernehmen. Nach
der Sage kann der Fluch erst dann gelöst werden, wenn das deutsche Volk in Einigkeit
erstarkt, deutsches Wesen und deutsche Art voll entfaltet, ehrt und pflegt.

(Darstellung nach Diezel in:” Bayreuther Land 1828”)

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